Meine Idee: ein wind- und wetterfestes Minihaus für Katzen. Ein kedikondu (kedi, türk. Katze; kondu, türk. abgeleitet von Gecekondu, Häuser die illegal über Nacht errichtet wurden). Ich habe ein Modell aus Holz erbaut, welches durch eine Klappe mühelos gereinigt werden kann. Auf diese Weise wäre den herrenlosen Tieren das Leben angenehmer, aber auch lokale Schreiner könnten durch deren Herstellung an Aufträgen gewinnen. Auftraggeber könnten größere Firmen sein, die der Stadt die Kedikondus spenden und zur Gegenleistung das Haus als Werbefläche nutzen. Es könnte ein kleiner Anfang sein, viele solcher Häuser zu bauen, von denen zum Beispiel auch Schulprojekte und Gemeinschaftssinn profitieren könnten.
An jeder Ecke kann man etwas kaufen. Bei Kälte gibt es Handschuhe und Einlegesohlen, ist es regnerisch Regenschirme, vor einem Fußballspiel Fanartikel und zu Silvester blinkende Kopfbedeckungen. Ob Fischbrötchen, Maronen, Sesamkringel, Maiskolben oder frisch gepresste Obstsäfte – in Istanbul muss man auf den Straßen nicht verhungern. Jedes Sorgen spiegelnde Gesicht versucht hier über die Runden zu kommen, und dafür wird nicht selten Plastik oder Schrott gesammelt. Die Stadt setzt sich aus vielen dieser uns fremden Gesichter zusammen, welche ihr eine Melancholie und Tristesse einhaucht. Der Kummer wird kurzzeitig vergessen bei bir çay – einem Tee. Er ist wie ein Eisbrecher, ein Grund für eine Zusammenkunft und eine Pause. Nach erfolgreichem Geschäft darf er nicht fehlen. Nicht nur die kupferfarbende Flüssigkeit soll zum Wohlergehen einer ganzen Gesellschaft dienen, auch ich wollte gern einen kleinen Beitrag leisten. Wie könnte dieser aussehen?
Die Zusammenstellung eines eigenen Fotolabors stellte sich als mühseliger und kostenintensiver heraus als gedacht. Somit entschied ich mich dafür, ein Vergrößerungsgerät von Istanbul aus in Deutschland zu kaufen, das ich nach meinem Weihnachtsaufenthalt in der Heimat mitbrachte. Das Gästezimmer der Wohnung in Kadıköy musste als improvisierte Dunkelkammer herhalten. Nach intensiver Suche, fand ich in Eminönü zwei gut sortierte Fachgeschäfte für analoge Fotografie, wo ich die noch benötigte Chemie kaufte. Daraufhin entstanden die ersten Bilder.
Gewappnet mit einem Diktiergerät und meiner Spiegelreflexkamera wollte ich den türkischen Alltag einfangen: das Leben in den Straßen und auf Plätzen wurde zu meinem Hauptmotiv. Im Hintergrund überragen immer wieder die Minarette der Moscheen die Wohnhäuser, über deren Dächern Tauben und Möwen ihre Runde ziehen. Die Jagd nach alltäglichen Wundern war nicht zuletzt aufgrund ihrer schnellen Vergänglichkeit eine Herausforderung, ebenso die Arbeit mit einem 28-80mm Standardobjektiv.
2010, als Istanbul als europäische Kulturhauptstadt glänzte, war ich das erste Mal zu Gast in dieser Metropole und sofort von ihrer dynamischen Vielfalt und Energie angesteckt. Von dem Moment an stand fest: Ich wollte zurückkehren und tiefer in diese exotische Welt eintauchen.
Im Atelierstipendium sah ich meine Chance, die Stadt besser kennenzulernen, sie zu verstehen, hier zu leben und Teil von ihr zu werden. Um diesen Prozess für mich selber nachhaltig festzuhalten und auch für andere nachvollziehbar zu machen, wählte ich die analoge Fotografie. Sie sollte es möglich machen, meine Eindrücke, Erlebnisse, Gefühle sowie die Ergründung meiner Fragen zu kommunizieren. In der Zeit von Bildbearbeitungsprogrammen war es mir ein Anliegen, die Dinge so zu zeigen, wie sie sind. Als Untermalung der Fotografien sollte ein auditiver Teil diese ergänzen, für den ich Töne und Klänge der Stadt mit einem Diktiergerät einfing. Durch die Sprache dieser Medien und die Auswahl meiner Eindrücke kann das Verstehen auf ganz persönlicher Ebene stattfinden und für jeden Betrachter eine eigene kleine Reise in die aufregende Metropole stattfinden.